Arbeitsmarktexpertin Dr. Britta Matthes

Arbeitsmarktexpertin Dr. Britta Matthes im Interview

Berufliche Bildung bietet viele Möglichkeiten

Wie entwickelt sich der deutsche Arbeitsmarkt? Diese Frage und ihre zahlreichen Aspekte stehen im Fokus der Wissenschaftler am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit. Dr. Britta Matthes, die am IAB die Forschungsgruppe „Berufliche Arbeitsmärkte“ leitet, sprach mit handfest über die Stärken und Perspektiven einer Berufsausbildung.

Was sind die Stärken einer Berufsausbildung im dualen System der Berufsbildung?

Die größte Stärke einer dualen Ausbildung ist es, dass Theorie und Praxis eng verzahnt sind und man später genau weiß, was in der Praxis und dem Arbeitsalltag auf einen zukommt. Dazu gehört auch, dass es für jeden Beruf einheitliche Ausbildungsordnungen gibt, in denen man ziemlich genau nachlesen kann, was einen in der Ausbildung konkret erwartet und was man danach kann. Das ist im Studium meistens nicht der Fall. Da hat man eine eher vage Beschreibung dessen, was man tatsächlich lernt und was man damit auf dem Arbeitsmarkt anfangen kann. Eine Berufsausbildung ist bundesweit von den Arbeitgebern anerkannt und ermöglicht den Zugang zu bestimmten Arbeitsplätzen.

Dies gilt übrigens in vielen Berufen auch für das Ausland. Zum Beispiel werden in Deutschland ausgebildete Elektroniker in Australien mit Handkuss genommen, weil man dort weiß, dass sie Fachwissen mitbringen, das in Australien nicht gelehrt wird.

Gibt es auch Nachteile?

Ein Nachteil ist, dass man sich zunächst relativ eng für ein bestimmtes berufliches Profil entscheiden muss. Allerdings heißt diese Entscheidung ja nicht, dass man die nächsten fünfzig Jahre weiter in diesem einen Beruf tätig sein muss. Man kann sich weiterbilden, spezialisieren oder auch in andere Berufe wechseln.

Die Ausbildung ist also nur ein erster Karriereschritt?

Genau, das ist ein ganz wichtiger Punkt. Wir müssen den Jugendlichen die Angst vor der Berufsentscheidung nehmen. Es heißt oft: Durch die erste Berufsentscheidung wird der Weg für die Zukunft festgelegt. Aber es gibt eben ganz viele Wege. Und auch die Tätigkeiten, die in einem bestimmten Beruf anfallen, werden sich verändern. Natürlich: Eine Berufsausbildung ist ein sehr wichtiger Schritt, weil ein Ausbildungsabschluss immer besser ist als kein Ausbildungsabschluss.

Wir haben in Deutschland einen sehr zertifikatsorientierten Arbeitsmarkt und es ist extrem schwer, einen guten Job ohne abgeschlossene Ausbildung zu bekommen. Aber es ist später immer möglich, sich für neue Tätigkeiten zu qualifizieren. Die Möglichkeiten, die das berufliche Bildungssystem inzwischen bietet, sind so breit, dass man vor dieser ersten Entscheidung keine Angst haben muss. Dieser Druck, ich muss mich jetzt für mein restliches Leben auf einen Beruf festlegen, der ist einfach falsch.

Welche Möglichkeiten gibt es denn, sich im Anschluss an eine Berufsausbildung weiterzuentwickeln?

Weiterbildungen sind in handwerklichen Ausbildungsberufen sehr gefragt. Durch entsprechende Weiterbildungsbausteine wie den Meister, Techniker oder Betriebswirt kann man sich relativ gute Voraussetzungen schaffen, um Führungsaufgaben zu übernehmen oder selbst eine Firma leiten oder gründen zu können, aber auch um Führungsaufgaben in anderen Betrieben zu übernehmen. Oft geht die Karriere dann auch in eine andere Richtung. Es gibt zum Beispiel sehr gute Aufstiegsmöglichkeiten aus dem gewerblich-technischen in den kaufmännischen Bereich. Hinzu kommt, dass solche Weiterbildungen in der Regel sogar besser als ein klassisches Studium auf die Herausforderungen des Arbeitsmarkts vorbereiten, weil der konkrete Praxisbezug zu einer engeren Verbindung von Theorie und Anschauung und damit zu besseren Lernerfolgen führt.

Wie sind die Arbeitsmarktchancen von Absolventen einer Berufsausbildung?

Da sind pauschale Antworten schwer. Was Arbeitslosigkeitsrisiken betrifft, gibt es keine großen Unterschiede zu den Akademikern. Mit einem dualen Ausbildungsabschluss hat man relativ gute Chancen, eine entsprechende Position auf dem Arbeitsmarkt zu finden. Und wenn man sich die Prognosen ansieht, kann man davon ausgehen, dass die Chancen für gut qualifizierte Fachleute im dualen Berufsbereich auch in Zukunft gut bleiben werden.

Die Digitalisierung verändert die Arbeitswelt

Smartphones, Tablet, 3-D-Drucker gehören heute schon in den Werkzeugkoffer des Handwerks und die Digitalisierung wirkt sich auch auf die handwerklichen Berufe aus. Berufe verändern sich, neue Berufsbilder kommen hinzu, andere verlieren an Bedeutung auf dem Arbeitsmarkt.

Gerade auf den in Deutschland sehr starken technisch-gewerblichen Beschäftigungsbereich hat die Digitalisierung großen Einfluss, betont Dr. Britta Matthes vom IAB, da viele Tätigkeiten in diesem Bereich in den letzten Jahren durch die Einführung digitaler Technologien teilweise ersetzt worden sind.

Einen Überblick über diese Entwicklungen liefert der „Job-Futuromat“, mit dem sich für jeden Beruf der Grad der Automatisierbarkeit und die Beschäftigungsentwicklung anzeigen lassen.

Die Arbeitsmarktforscherin betont aber, dass die Ergebnisse des „Job-Futuromat“ differenziert gelesen werden müssen. Nur weil etwa die Gesamtbeschäftigung in einem Bereich sinkt, heißt das nicht, dass man diesen Beruf nicht erlernen sollte. Auch zukünftig werden Menschen gebraucht, die dort arbeiten, nur dass eben zum Beispiel Kreativität oder der Einsatz Neuer Medien und digitaler Technologien an Bedeutung gewinnen.

Job-Futuromat